Zeitzeugenbesuch Fr. Prof. Rosenberg – Gegen das Vergessen

Kerstin Scholl und Ingrid Kolbinger

Am Dienstag, den 12.11. durften wir an unserer Schule Frau Prof. Erika Rosenberg als Gast begrüßen, die zwei Vorträge für Schüler der 9. und 10. Klasse hielt.

Beim ersten Vortrag von 9.30 Uhr bis 11.00 Uhr war Frau Ingrid Kolbinger als Gast anwesend, die den folgenden Bericht verfasst hat.

Frau Professor Rosenberg, Buenos Aires / Argentinien berichtet von ihren Recherchen über Emilie und Oskar Schindler (bekannt durch den Film: Schindlers Liste ) und freut sich, dass sie in einer Schule, die die Auszeichnung „ Schule Ohne Rassismus- Schule Mit Courage „ trägt, sprechen darf.

Zunächst schildert sie kurz ihr Leben. Ihre Eltern waren aus Deutschland, die Mutter Ärztin in Hamburg, der Vater Jurist in Berlin. Mit dem Inkrafttreten des Berufsverbots für Juden, entschieden sich beide, auszuwandern.

„ Was macht ein Mensch, wenn er ausgegrenzt wird? Wohin geht er ohne Geld und wenn viele Länder Einreisestopps verhängen? Zunächst wanderten die Eltern nach Paraguay aus und nach 6 Monaten machten sie sich illegal auf nach Argentinien. Das war abenteuerlich. Es ging nämlich über den breiten Fluss PARANA, mitten in der Nacht in einem Kanu! Sie ist hineingeboren in eine Familie, in der das Thema HOLOCAUST kein Thema war. Aber Kinder stellen Fragen: Warum habe ich keine Großeltern? Diese Frage stellte sie immer wieder ihren Eltern und der Wunsch regte sich, mehr über die Familiengeschichte zu erfahren. Daher wurde sie Historikerin.

Sie hatte vor, ein Buch zu schreiben über Einwanderer….. und ist bei ihren Recherchen auf Emilie Schindler gestoßen, die verarmt in Argentinien lebte, in Vergessenheit geraten war und nun wollte sie ihr Schreiben den Schindlers widmen; das heißt, dass sie ihr Projekt 20 Jahre liegen ließ, sich mit Emilie anfreundete und sie auf ihren Reisen auf den Spuren der Schindlers begleitete.

Im 2. Weltkrieg sind 60 Millionen Menschen ums Leben gekommen, aber die Schindlers haben 1200 Menschen vor dem sicheren Tod gerettet. Man stelle sich vor: 60 Millionen, das entspricht der Einwohnerzahl von Frankreich oder Italien.

Emilie ist in eine Klosterschule gegangen, hatte eine gute Ausbildung, war strenggläubig, fleißig, arbeitsam. Sie ist 94 Jahre alt geworden.

Oskar liebte das Leben, schnelle Autos, Frauen, den Alkohol und den Tabak und ist mit 66 Jahren gestorben. Es war die Liebe ihres Lebens und sie hat unter seiner Untreue gelitten. Aber: GEGENSÄTZE ZIEHEN SICH AN!

Die Schindlers kamen aus Mähren, das nach dem Verfall der K un K-Monarchie zur Tschechoslowakei geworden ist. Unter Konrad Henlein entstand damals die Nazipartei, in die Oskar eintrat. ( Die Beziehungen zu den Parteileuten sollten ihm später nützlich sein für seine Rettungsaktionen ).

Wie haben sie sich kennengelernt? Ihre Eltern hatten einen Bauernhof und Oskar wollte dort eines Tages einen Elektromotor verkaufen. Geheiratet haben sie[nbsp] am 6.3.1927 in Zwittau.

Ein Schüler stellte eine interessante Frage: Was hat der Oskar vorher gemacht, bevor er die Fabrik kaufte? Als was hat er gearbeitet? Er war Spion unter Canaris, also beim Geheimdienst. So konnte er die Kontakte aufbauen, die er später brauchte.

Canaris, der Chef des Geheimdienstes gehörte später[nbsp] auch zu den Widerständlern und unterstützte Stauffenberg bei seinem Attentat. Canaris wurde verhaftet und wurde im Lager Flossenbürg zum Tod verurteilt worden, das kurz vor Kriegsende vollzogen wurde.

Dann kam der 2. Weltkrieg und Oskar musste nach Krakau reisen, das war wohl ein Auftrag des Geheimdienstes. Er entdeckte dort[nbsp] die Emailwarenfabrik, die Juden gehört hatte, nahm einen Kredit auf und begann Emailwaren und Töpfe für die Wehrmacht herzustellen. Einen Teil der Ware verkaufte er auf dem Schwarzmarkt und konnte so richtig viel Geld verdienen.

Die Arbeiter in der Fabrik sind Juden, die zuerst im Ghetto in Krakau gelebt haben und später ins Konzentrationslager nach Plaszow kamen. Die Lebensbedingungen im Lager waren schlimm, es gab keine Krankenstation und wer krank wurde, war dem Tode geweiht. Eine große Gefahr für die Frauen war eine Schwangerschaft. Emilie half einer Frau abzutreiben ohne dem Arzt zu sagen, dass die Schwangere eine Jüdin war. Emilie selbst sagte, dass dies für sie als gläubige Katholikin sehr schwierig war, da sie immer gegen Abtreibung war, aber in Anbetracht der Situation eine Abtreibung die bessere Lösung war.

Einmal hatte Emilie in der Fabrik eine angerauchte Zigarette weggeworfen. Ein jüdischer Häftling stürzte sich sofort darauf und rauchte sie gierig. Das sah ein SS-Mann, der in der Fabrik war und der ihr direkt Begünstigung von Juden vorwarf. Er warnte sie: „Passen Sie auf!!! Ich werde Sie im Auge behalten.“

Amon Göth, der Lagerkommandant, war ein Ungeheuer. Seine Hunde zerfleischten Menschen und er schaute dabei zu und lächelte. Außerdem machte er morgens Schießübungen von seinem Balkon aus und erschoss wahllos Menschen, die im Lager im vor den Gewehrlauf kamen. Die Schindlers mussten ihn zuhause empfangen, damit sie die jüdischen Arbeiter für die Fabrik bekommen konnten. Göth trank viel und Oskar trank mit, um sich zu tarnen. 40 000 Menschen hat Amon Göth umbringen lassen.

1942 lässt Schindler ein Arbeits-und Wohnlager für die Juden einrichten, das sich direkt neben der neuerworbenen Kistenfabrik und der Krakauer Glashütte. Denn inzwischen wurde die „Endlösung der Judenfrage“ auf der Wannseekonferenz beschlossen und die Schindlers wissen, was dies für „ihre“ Juden bedeutet, wenn sie nicht die Sondergenehmigung erhalten, direkt neben der Fabrik ein Lager zu bauen. Oskar und Emilie Schindler reisen nach Berlin und erhalten dort die Sondergenehmigung.

Dann wurde die Fabrik[nbsp] nach Brünnlitz verlegt, da das KZ in Plaszow aufgelöst werden sollte und das Lager mit den Schindler-Juden ein Nebenlager war. Erschütternd war das Foto, das einen Frachtbrief zeigte. Denn die Fracht waren keine Waren, sondern die Juden die nach Brünnlitz gebracht werden sollten. Sie wurden nicht als Menschen gesehen, sondern als Dinge.

Im Januar 45 entschied Emilie 120 jüdische Arbeiter für die Fabrik aufzunehmen, da diese ansonsten erschossen worden wären. Da Oskar auf Reisen war, trug sie die Entscheidung ganz alleine und rettete die Menschen vor dem sicheren Tod.

Nach der Kapitulation Deutschlands mussten Emilie und Oskar schnell fliehen, da sie sonst mit Sicherheit umgebracht worden wären. Immerhin waren sie deutsche Fabrikanten gewesen. Sie kommen nach Regensburg, hatten dort allerdings schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Mithilfe von 15000 Dollar einer jüdischen Organisation schifften sie sich 3. Klasse nach Argentinien ein. 60 km südlich von Buenos Aires[nbsp] betrieben die beiden eine Farm. Oskar geht wieder zurück nach Deutschland, um eine Art „Wiedergutmachung“ für den Verlust der 3 Fabriken zu erhalten. Da die Verhandlungen sehr lange dauern, insgesamt 5 1/2 Jahre, beschließt er in Deutschland zu bleiben und nicht mehr nach Argentinien zu Emilie zurückzukehren. Sie bleiben aber weiterhin verheiratet.

Oskar Schindler starb 1974 in Hildesheim und wurde in Jerusalem beigesetzt.

Emilies letzter Wunsch war, ihren Lebensabend in Deutschland zu verbringen und mithilfe ihrer Freundin Prof. Erika Rosenberg, kam sie im Juli 2001 zurück nach Deutschland. Wenige Wochen später starb sie in Wallkraiburg, wo sie auch beerdigt wurde.

Frau Rosenberg appeliert an die Schüler: es gibt so viele Kriege, Missverständnisse und Schlimmes auf der Welt. Ihr, die Jugend macht aus dieser Welt was Besseres! Ihr schafft das! Man soll nicht auf die Hautfarbe, die Religion, die Herkunft schauen. Das einzige was zählt, ist Mensch zu sein.

Das ist die höchste Auszeichnung, die ein Mensch bekommen kann. „Einfach ein Mensch zu sein und menschlich zu handeln.“

Im Talmud steht: Wer ein Menschenleben rettet, der rettet die Welt.

Dies wird auch im Film Schindler`s Liste thematisiert, um den es im 2. Teil des Vortrags ging.

Der Film „Schindlers Liste“ hat seine eigenen Geschichte. Oskar schickte seine Biographie an einen amerikanischen Filmverleih. Der lehnte ab mit der Begründung: Die Amerikaner wollten zu diesem Zeitpunkt keine guten Deutschen sehen. In Filmen waren die Deutschen immer die Bösewichte.

Das Drehbuch, das Oskar geschrieben hatte, wurde nie zurückgeschickt, obwohl Oskar ausdrücklich darum gebeten hatte.

Jahre später drehte Spielberg den Film „Schindler`s Liste“, ohne aber jemals mit Emilie über die Tatsachen gesprochen zu haben. Für Spielberg spielte Emilie Schindler keine Rolle. Im Gegenteil, er dachte, sie wäre Jüdin gewesen und Oskar hätte sie ebenfalls gerettet. Dazu zeigte Frau Rosenberg einen Brief, den Spielberg an Emilie Schindler geschrieben hatte.

Emilie Schindler wandte sich an Spielberg, da sie einen Teil der Einnahmen erhalten wollte, da der Film ja immerhin die Lebensgeschichte von ihr und ihrem Mann war. Spielberg lehnte eine Beteiligung an den Filmeinnahmen ab. Der Grund: Sie wäre von ihrem Mann geschieden gewesen und hätte deshalb keinen Anspruch! Das war eine Lüge. Emilie hatte sich nie von Oskar Schindler scheiden lassen.

Ergreifend auch ihr Zusammentreffen mit Spielberg anlässlich einer Reise nach Jerusalem, wo der Epilog des Films gedreht wurde und der Film vorgestellt werden sollte. Emilie und Frau Rosenberg, ihre Begleiterin, bekamen die Plätze am Tisch 87 zugewiesen. Sie kamen sich sehr überflüssig vor und wollten schon gehen, als ein Mann auf Emilie zukam, er hatte sie erkannt. Die anderen „Schindler-Juden“ kamen zu ihr und bedankten sich bei ihr.

Der Vortrag von Frau Prof. Rosenberg war sehr informativ und die Schüler hörten ihr gebannt zu.